
MAA spricht mit Thomas Schürle
In 10 bis 15 Jahren wird es wahrscheinlich keine kleinen Bäckereien mehr geben
Seit 1887 betreibt die Familie Schürle eine Bäckerei in Pommertsweiler. Und immer noch mit Leidenschaft und Freude, wie der Bäckermeister zu berichten weiß. Leider fehlt es an Nachwuchs, obwohl die wirtschaftlichen Perspektiven gut sind. Nächstes Jahr werden in der ganzen Region gerade einmal drei Bäcker ihre Prüfung ablegen. Vielleicht kann Thomas Schürle mit seiner Freude am Beruf andere anstecken - und Lust auf handwerkliche Backwaren und das Bäckerhandwerk machen?!
MENSCHEN-AALEN.DE wird unterstützt durch
Das könnte dich auch interessieren
Bild: Thomas Schürle, privat
Herr Schürle, wie lange gibt es die Bäckerei Schürle in Pommertsweiler?
Seit 1887, gegründet von Patriz Schürle, meinem Urgroßvater. Ich bin jetzt die vierte Generation.
Wahnsinn! Haben Sie eine besondere Spezialität im Angebot?
Ja, besonders beliebt sind unsere Briegel und Brezeln. Mein Brot wird nach einem alten Rezept gebacken.
Gibt es ein besonderes Geheimnis bei diesem alten Rezept?
Das Geheimnis liegt in der Sauerteigführung. Klassisches Brot besteht aus den Grundzutaten Mehl, Salz, Sauerteig, Wasser und Hefe. Wir machen es wie früher mit einer Langzeitteigführung und Sauerteigführung. Mein Teig ruht zum Beispiel 48 Stunden in der Kühlung, bevor er weiterverarbeitet wird.
Mein Teig ruht zum Beispiel 48 Stunden in der Kühlung, bevor er weiterverarbeitet wird.
Das ist eine klassische Langzeitführung, wie es früher üblich war. Heutzutage wird viel mit Backmischungen gearbeitet, aber der Geschmack ist schon unterschiedlich.
Bei Ihnen gibt es keine Backmischungen?
Nein, ich habe ja auch keine dementsprechende Maschinen und nehme unsere klassischen natürlichen Rezepte. Mein Sortiment ist nicht so breit gefächert. Ich habe vier Kornweckensorten, Brezeln, Briegel, Brötchen und vier bis fünf Sorten Brot.
Und immer ohne Backmischungen, sondern nur natürliche Zutaten?
Ja, das wird immer mehr gefragt. Die Leute wissen das zu schätzen und kommen deswegen her.
Die Leute suchen mehr Regionalität und Produkte ohne Zusatzstoffe?
Ja, ich kann mich über zu wenig Kunden nicht beschweren. Meine kleine Schwester sagt, ich darf keine Werbung mehr machen, weil man es bald nicht mehr bewältigen kann im Verkauf.
Das hört man öfter von Handwerkern. Eigentlich mangelt es nicht an Kunden, sondern eher an Leuten, die mitmachen wollen. Wie ist das bei Ihnen?
Ja, das ist schon ein Problem. Ich bin gerade so in der Lage, dass ich für jeden Posten jemanden habe, aber wenn jemand gesucht wird, gibt es keine Bewerber. Ich arbeite mit einer Gesellin zusammen. Wir sind nur zu zweit in der Backstube. Wir haben auch keinen Nachwuchs.
Ist das nur bei Ihnen so?
Nein. Ich bin in der Berufsschule als Prüfer tätig und sehe dort das allgemeine Problem, wenn wir Abschlussprüfungen abnehmen. Nächstes Jahr zum Beispiel haben wir in Ellwangen, Aalen, Gmünd und Heidenheim zusammen drei Prüflinge.
Drei Prüflinge für die ganze Region?
Genau. Das erste Lehrjahr sieht jetzt besser aus, aber bis zur Prüfung gehen viele wieder weg. Es kann sein, dass von den 30 nur noch zehn übrig sind. Also das Einzugsgebiet ist riesig, aber wir haben sehr wenig Nachwuchs.
Das Bäckerhandwerk stirbt dann wahrscheinlich aus, oder?
Ja, in 10 bis 15 Jahren wird es wahrscheinlich keine kleinen Bäckereien mehr geben, obwohl es keinen wirtschaftlichen Grund dafür gibt. Wirtschaftlich könnte man überleben, wenn man seine Sache ordentlich macht und seine Kunden hat.
Wenn jetzt jemand sagen würde, er würde den Meister machen, könnte er dann eine Bäckerei übernehmen und ein gutes Auskommen haben?
Ja, das würde auf jeden Fall funktionieren.
Liegt das fehlende Personal vielleicht auch daran, dass man früh aufstehen muss? Wann geht Ihr Arbeitstag los?
Ja, das könnte ein Grund sein. Unter der Woche fange ich um 2 Uhr an und samstags um 12 Uhr in der Nacht. Da bin ich immer der Erste in der Backstube. Die Schichten sind immer lang, besonders samstags, da arbeite ich oft 10 Stunden. Viele kommen deshalb gar nicht mehr auf die Idee, das Bäckerhandwerk zu lernen, auch weil es so viele andere Alternativen gibt.
Vielleicht kann unser kleines Interview dazu beitragen, dass Menschen das Bäckerhandwerk wieder schätzen lernen. Es ist doch auch etwas Schönes, man sieht, was man macht.
Ja, der Beruf selbst ist wunderbar. Ich kenne Bäcker, die schon in Rente und froh sind, dieses Handwerk ausgeübt zu haben. Es ist das Schönste der Welt. Aber es ist nicht nur der Beruf, das Drumherum ist auch sehr schwierig, wenn man selbstständig ist. Es gibt viele Vorschriften und viel Bürokratie. Man muss da schon viel Durchhaltevermögen haben.
Ist das Bäckerhandwerk von vielen Vorschriften betroffen?
Ja, wie alle Handwerksbetrieben bin ich Handwerkskammer, Berufsgenossenschaft, Finanzamt, Bildungswerk, Knappschaft um nur ein paar zu nennen, melde- und zahlungspflichtig. Auch die Erstellung verschiedenster Dokumentationen wie z.B. Arbeitszeiten der Mitarbeiter, Reinigungsintervalle, Temperaturdokumentation nehmen viel Zeit in Anspruch. Wichtig ist doch aber eigentlich, dass es sauber ist und nicht nur auf dem Papier steht.
Gibt es denn spezielle Kundenwünsche, die dann durch Sie umgesetzt werden?
Ja, wir machen Mini-Backwaren für Stehempfänge, Hochzeiten, Feste oder spezielle Torten und Kuchen, was es nicht von der Stange gibt. Da muss der Bäcker noch spezielle Stücke und Formungen machen. Es gibt genügend Kundenwünsche, die ich umsetzen muss.
Das heißt neben dem klassischen Sortiment kann man auch mit etwas Speziellem zu Ihnen kommen?
Ja, der Handwerker kann das halt. Ich bin in der Lage, das umzusetzen. Als Bäckermeister sage ich von mir selber, dass ich Herausforderungen gerne annehme. Letztens habe ich zum Beispiel einen riesigen Muffin gemacht. Es ist nicht einfach, so ein Teil zu backen, dass er außen nicht schwarz wird und innen durch ist.
Was spricht denn für den handwerklichen Bäcker?
Natürlich die handwerkliche Qualität und der bessere Geschmack. Das ist ja der Hauptgrund, warum man beim Bäcker kaufen sollte. Die Industrie produziert in großen Mengen über Maschinen. Da wird jeder Teig auch gängig gemacht, schon gesäuert. Es wird auch viel zugesetzt, was nicht in der Produktliste aufgeführt werden muss. In der Industrie schmeckt deshalb alles gleich. Bei mir ist jedes Teil anders.
In der Industrie schmeckt deshalb alles gleich. Bei mir ist jedes Teil anders.
Vielleicht war die Ofentemperatur 10° höher, dann sind die Teile knuspriger. Auch jeder Tag ist anders. Wenn es warm ist, geht die Hefe mehr auf und der Ofen hat einen besseren Abzug. Das sind Sachen, die in der Industrie nicht vorkommen. Jeder Prozess ist dort getaktet und alles ist gleich.
Woher kommen Ihre Zutaten?
Meine Zutaten kommen hier aus der Region, von regionalen Mühlen. Die haben das Getreide wiederum von regionalen Landwirten. Bei uns kommt die Ware vor allem vom Ries, das ist das beste Gebiet für Getreide. Es gibt mittlerweile auch regionale Hersteller für Leinsamen und Sesam. Die bevorzuge ich natürlich auch.
Das ist im Prinzip noch wie früher: Der Bauer macht das Getreide, die Mühle das Mehl und der Bäcker macht die Backwaren daraus?
Genau. So ist es bei mir.
Schmecken Sie als Kenner unterschiedliche Mehle, zum Beispiel Dinkel und Weizen?
Das kann man schon auseinander schmecken.
Aber Weizenmehl von hier oder aus anderen Ländern, würde man das auch schmecken?
Das wahrscheinlich nicht. Für mich entscheidend ist die Verarbeitbarkeit. Es gibt schon Unterschiede in der Qualität der Mehle.
An was merkt man das? Ich kenne nur die verschiedenen Typen, 550 oder 405.
Ja, 550 ist Weizenmehl. 550 ist dabei der Mineralgehalt. Das heißt, es sind 550 Gramm Mineralien auf 100 kg verbranntes Mehl.
Ach so, wenn ich das Mehl verbrennen würde, dann bleibt das Mineral übrig?
Genau, das ist der Mineralgehalt von Mehl. 550 ist der Ausmahlgrad und Mineralgehalt.
Und 405, wie muss ich mir das vorstellen?
405 ist ganz helles Mehl vom Inneren des Korns. Je mehr Schalenanteile drin sind, desto höher steigt die Zahl. Beim Vollkornmehl Typ 1700 zum Beispiel, da kommt die äußere Schicht weg und der Keimling wird ins Brotmehl mit eingemahlen.
Also je mehr die Außenwand mit verwendet wird, umso mehr ist das Brotmehl?
Genau, und je mehr ich das Innere nehme, ist es dann Weißmehl, Auszugsmehl Typ 405. Auch die Qualität des Mehls kann verschieden sein. Es gibt verschiedene Klassifizierungen des Weizens. Elite-Weizen ist der beste Weizen. Dann gibt’s A-, B- und C- Weizen. C ist Futterweizen, A und B werden für Brotmehl genommen.
Die verschiedenen Sorten werden aber auch vermischt?
Ja, um gleichbleibende Qualität zu haben. Elite-Weizen würde bedeuten, der Teig hat eine sehr hohe Wasseraufnahme und einen sehr guten Stand. Das Gebäck würde dann immer rund wie ein Fußball, das wollen wir natürlich auch nicht (lacht).
Der Mittelweg ist also besser?
Genau, um gleichbleibende Qualität zu haben, testet der Müller die verschiedenen Sorten vorher im Labor und mischt sie.
Warum sollte denn jemand Bäcker werden?
Vom Beruf her ist das das Schönste, was es gibt. Natürlich muss der Bäcker früh aufstehen, aber er hat auch viel früher Feierabend.
Natürlich muss der Bäcker früh aufstehen, aber er hat auch viel früher Feierabend.
Jetzt im Sommer kann man oft ins Freibad gehen. Bäcker sein ist toll, man ist sein eigener Herr, sieht jeden Tag, was man herstellt, kann es probieren, es schmeckt und es duftet auch gut.