
MAA spricht mit Markus Haag.
Täglich bis zu einer Stunde mehr Konzentration!
Markus Haag ist Optiker aus Leidenschaft. Sein Anspruch ist es eine Brille zu fertigen, die dem Träger einen perfekten „Durchblick“ ermöglicht. Haag weiß, dass eine exakt eingemessen und gefertigte Brille nicht nur Müdigkeit reduziert, sondern auch die Konzentrationsfähigkeit um bis zu eine Stunde steigen kann. Welche Aspekte dabei eine Rolle spielen, warum eine gute Optik keinesfalls eine Selbstverständlichkeit ist und was es mit dem gefährlichen blauen Licht auf sich hat, das erfährst du in diesem Interview.
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Bild: Markus Haag, privat
Ist die Brille mehr ein optisches Instrument oder eher ein Design-Accessoire?
Für die Kunden ist sie ein Design-Accessoire, für mich als Optiker in erster Linie ein optisches Instrument.
Das heißt, die Kunden legen mehr Wert auf das Design?
Ja, vor allem auf die Brillenfassung – also darauf, wie sie damit aussehen. Sie gehen automatisch davon aus, dass sie mit jeder Brille gut sehen werden. Beim Aussuchen steht deshalb immer im Vordergrund, wie die Brille aussieht und ob sie zum eigenen Stil passt. Eine Brille ist ja auch ein Stück weit ein Spiegelbild der eigenen Persönlichkeit und des Charakters. Das gute Sehen wird dabei einfach vorausgesetzt.
Das heißt, wenn jemand zum Optiker geht, achtet er in erster Linie auf das Aussehen der Brille?
Die meisten schauen erst, ob ihnen die Brille gefällt. Dass sie damit gut sehen können, wird als selbstverständlich betrachtet. Aber genau das ist die Herausforderung: Gutes Sehen zu ermöglichen, ist eine Kunst, die nur noch wenige Optiker wirklich beherrschen.
Gutes Sehen zu ermöglichen, ist eine Kunst, die nur noch wenige Optiker wirklich beherrschen.
Merken denn die Kunden den Unterschied, wenn die Brille wirklich gut angepasst ist?
In vielen Fällen ja. Vor allem, wenn sie zuvor bei einem anderen Optiker waren, der nur Standardlösungen angeboten hat. Viele Menschen haben Probleme mit ihren Gleitsichtbrillen, weil sie sich damit nicht wohlfühlen.
Woran liegt das?
Oft haben sie einfach Gläser aus der Mittelklasse oder vermeintliche „High-End-Gläser“, die technisch gesehen aber nur zweitklassig sind. Wenn man dann wirklich die besten Gläser verwendet – und der Kunde bereit ist, dafür zu investieren – merkt er den Unterschied deutlich.
An was?
Zum Beispiel an extrem breiten Sehbereichen, kein Schwanken und kein Suchen des Fokus. Kopfschmerzen oder andere Beschwerden sind dagegen oft ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt – entweder die Werte sind nicht optimal oder die Gläser wurden nicht perfekt eingeschliffen. Es gibt viele kleine Faktoren, die zusammenspielen müssen, damit das Sehen wirklich angenehm ist.
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Was genau passiert eigentlich, wenn ich beim Optiker meine Brille anpassen lasse?
Zuerst machen wir eine Messung mit dem sogenannten Wave Analyzer. Dabei prüfen wir unter anderem die Klarheit der Augenlinse. Jeder Mensch entwickelt mit zunehmendem Alter einen grauen Star, aber wir klassifizieren, wie weit er fortgeschritten ist und ob eine Operation schon sinnvoll wäre. Zusätzlich messen wir den Augeninnendruck. Denn weltweit erblinden immer noch die meisten Menschen an grauem Star, weil ein erhöhter Augeninnendruck zu spät erkannt wird. Wenn der Druck zu hoch ist, wird die Netzhaut gequetscht, was zu Bildausfällen führt.
Das bedeutet, du überprüfst nicht nur die Sehstärke, sondern auch, ob das Auge gesund ist?
Genau. Ich arbeite seit 29 Jahren in diesem Bereich und nutze immer die neuesten Technologien. Auf Basis der Messergebnisse kann ich beispielsweise erkennen, ob ein Astigmatismus an der Linse oder an der Hornhaut liegt. Ein sogenannter Linsenastigmatismus bedeutet, dass die Linse sich je nach Blickrichtung verformt, wodurch sich auch der Zylinderwert verändert. Das macht das Sehen besonders schwierig – und es ist kaum möglich, es perfekt auszugleichen. Wenn man den Menschen aber erklärt, warum sie diese Probleme haben, verstehen sie es besser und sind am Ende zufriedener.
Wie läuft dann die eigentliche Augenprüfung ab?
Die klassische Augenprüfung wird weltweit meist in 0,25-Dioptrien-Schritten durchgeführt – also zum Beispiel -1,00 oder -1,25 Dioptrien. Der Optiker muss sich dann entscheiden, ob er etwas mehr oder etwas weniger gibt. Wir messen hier jedoch auf Hundertstel genau. Diese Messtechnik gibt es erst seit etwa zehn Jahren, und wir waren weltweit unter den ersten fünf Optikern, die sie genutzt haben.
Wir messen hier jedoch auf Hundertstel genau. Diese Messtechnik gibt es erst seit etwa zehn Jahren, und wir waren weltweit unter den ersten fünf Optikern, die sie genutzt haben.
Was bedeutet das konkret?
Statt in 0,25er-Schritten messen wir mit einer Genauigkeit von 0,01 Dioptrien. Das heißt, wenn jemand einen Zylinderwert von -1,13 hat, muss ich mich nicht zwischen -1,00 oder -1,25 entscheiden, sondern kann exakt den richtigen Wert bestimmen. Das verbessert das Sehen um etwa zwei bis fünf Prozent – und sorgt für deutlich entspannteres, ermüdungsfreieres Sehen.
Das heißt, die exakte Messung ist die Grundlage dafür, dass die Gläser wirklich perfekt passen?
So ist es. Wir prüfen zuerst die Augengesundheit und messen dann die exakte Sehstärke. Wenn jemand in der Anamnese Auffälligkeiten zeigt – zum Beispiel typische Anzeichen für bestimmte Erkrankungen, können wir zusätzlich die Netzhaut untersuchen.
Was kann man anhand der Netzhaut erkennen?
Viel mehr, als man denkt. Zum Beispiel lässt sich Diabetes oft schon an der Netzhaut ablesen, noch bevor die Krankheit im Blut nachgewiesen werden kann. Auch Erkrankungen wie Makuladegeneration – bei der die Netzhaut langsam zerstört wird – kann man frühzeitig erkennen. Es gibt leider noch keine Heilung, aber man kann zumindest frühzeitig Maßnahmen ergreifen. Wenn ich sehe, dass eine Brille für den Patienten keinen Sinn macht, weil eine medizinische Ursache vorliegt, dann schicke ich ihn direkt zum Augenarzt.
Viele Menschen gehen ja ungern zum Augenarzt – oder bekommen dort schwer einen Termin. Ist es dann sinnvoll, erst zum Optiker zu gehen?
Ja, absolut. Natürlich sollte man bei der ersten Brille zum Augenarzt gehen, aber auch später kann ein guter Optiker viele gesundheitliche Risiken frühzeitig erkennen. Allerdings haben nur wenige Optiker die technischen Möglichkeiten und die nötige Ausbildung für solche Messungen. Viele große Optikerketten versuchen mittlerweile, auf den Zug aufzuspringen – aber meist geht es dabei nur ums Geschäft. Ich mache das nicht aus Profitgründen, sondern weil ich Spaß an der Technologie habe und den Menschen bestmöglich helfen möchte.
Die Stärke der Brille hat auch Einfluss auf die Fassung, oder?
Wenn die Werte hoch sind, kann man nicht einfach jede Fassung nehmen, weil das Glas dann zu dick ist und hinterher unschön aussieht. Hier ist ein Beispiel: (zeigt eine Brille mit dicken Gläsern) Das sind zweimal -6,0 Dioptrien. Einmal mit einer großen Brillenfassung – da sieht man, dass das Glas deutlich dicker wird. Wenn ich hingegen eine kleinere Brille nehme, wie bei mir, dann bleibt das Glas viel dünner.
Also muss man bei bestimmten Werten genau darauf achten, welche Fassung man verkauft?
Ja, definitiv.
Und jede Fassung sitzt anders auf der Nase, oder?
Jede Fassung hat einen anderen Sitz und Winkel. Wenn man die von der Seite anschaut, sieht man, dass sie unterschiedlich geneigt sind. Manche sind gerader, andere stärker durchgewölbt.
Und ihr vermesst exakt, wie man durch die Fassung schaut?
Ja, mit unserem Videozentriersystem.
Dann gibt es noch weitere Messungen, wie Eye-Code. Was genau ist das?
Eye-Code beschreibt, wo das Auge im Kopf gelagert ist. Das ist eine Erfindung von Essilor. Der Augenforscher Gullstrand hat vor über 100 Jahren eine Reihenmessung gemacht, um eine durchschnittliche Augengröße zu bestimmen. Er hat einfach einen Mittelwert genommen: „So groß ist ein Auge, Punkt.“ Aber die Menschen, die hier in den Laden kommen, haben ja kein normgerechtes Auge. Kurzsichtige haben ein längeres Auge, Weitsichtige ein kürzeres. Dadurch ändert sich der Drehpunkt des Auges.
Dieser Drehpunkt wird also extra vermessen?
Ja, genau.
Also wird geschaut, wie ich gucke?
Nein. Hier geht es darum, wie die Abstände im Auge sind. Wenn das Licht ins Auge fällt, durch den theoretischen Drehpunkt geht, aber nicht korrekt auf der Netzhaut landet – weil das Auge zu lang oder zu kurz ist – muss das Auge sich leicht verdrehen, um scharf zu sehen. Wenn dieser Drehpunkt nicht exakt berechnet wird, muss das Auge ständig korrigieren. Das strengt an. Wenn man den Drehpunkt aber berücksichtigt, kann das Auge entspannter sehen.
Wenn dieser Drehpunkt nicht exakt berechnet wird, muss das Auge ständig korrigieren.
Das bedeutet also weniger Ermüdung?
Ja, weniger Ermüdung und auch ein besseres Sehen in der Dämmerung, weil das Licht genau auf den Punkt des besten Sehens trifft. Wir messen auch den Abstand von der Nasenwurzel bis zur Pupillenmitte – ebenfalls aufs Zehntel genau. Je nach Brillenfassung gibt es dann noch Unterschiede: Der Pupillenabstand (PD) bleibt gleich, aber der Höhenunterschied – also die Distanz vom Fassungsrand zur Pupillenmitte – variiert bei jeder Fassung. Dieser Wert wird ebenfalls aufs Zehntel genau vermessen.
Das bedeutet, das Glas wird speziell für meine Fassung angefertigt, damit ich optimal hindurchsehe?
Genau. Das nennt sich Individualisierung. Die Fassungsform wird dreidimensional vermessen. Dann werden deine Sehdurchblickspunkte berechnet. Bei hochwertigen Gleitsichtgläsern wird das alles genau angepasst.
Und bei Standard-Gleitsichtgläsern?
Die, die du bei Standard-Optikern bekommst, kommen als runde Rohlinge. Da ist es egal, welche Fassung du hast – die Gläser sind nicht individuell angepasst. Bei unseren Top-Gleitsichtgläsern wird aber auch die Fassungsform berücksichtigt. Auch Faktoren wie der Winkel und die Wölbung der Fassung fließen alle in die Berechnung des Glases ein. Der Glashersteller fertigt dann genau für dich ein individuelles Glas an.
Das klingt aufwändig.
Ist es auch. Das ist vor allem bei den Top-Gläsern der Fall, die ich im Laden habe. In Deutschland gibt es etwa 15.500 Optiker, aber nur rund 200 arbeiten mit dieser Technologie. Wir sind einer davon. Diese speziellen Gläser bekommt man nur, wenn man die erforderlichen Messgeräte vom Hersteller besitzt.
In Deutschland gibt es etwa 15.500 Optiker, aber nur rund 200 arbeiten mit dieser Technologie. Wir sind einer davon.
Das erinnert mich an einen Maßanzug. Da ist es ja auch wichtig, dass der Schneider vorher genau misst. Wenn die Maße nicht stimmen, passt der Anzug nicht.
Ja, so ist es! Wenn man sich bei der Messung vermisst oder falsche Angaben macht, geht alles schief. Dann muss man neu messen und das Glas noch einmal anfertigen.
Gibt es bei Brillen also auch so etwas wie einen Discounter und einen Maßanfertiger?
Ja, so kann man das sehen. Es gibt günstige Standardbrillen und es gibt Optiker, die maßgefertigte Brillen anbieten.
Warum machen das nicht mehr Optiker?
Diese Messgeräte sind sehr teuer. Dazu kommt, dass die gesamte Werkstatt auf einem extrem hohen Niveau arbeiten muss.
Die meisten Optiker bekommen also fertige Brillen aus der Fabrik?
Ja, viele Filialisten lassen ihre Brillen komplett in Asien fertigen. Die Gläser werden dort direkt in die Fassungen eingearbeitet – oft nicht besonders gut.
Ihr bekommt die Gläser also als Rohlinge und setzt sie selbst in der Werkstatt ein?
Genau. Wir erhalten kreisrunde Rohlinge und passen sie individuell an.
Ist das nicht mehr selbstverständlich?
Nein, leider nicht.
Spielt auch die Erfahrung des Optikes eine Rolle?
Ja, absolut. Maschinen können viel, aber einige Dinge müssen immer noch per Hand gemacht werden. Das ist ein Punkt, den viele Optiker nicht mehr bieten können. Sie haben weder das nötige Know How noch die erforderlichen Maschinen.
Über welche Kosten sprechen wir da?
Wir reden von ungefähr 50.000 Euro für eine High-End-Maschine, die exakt die Daten umsetzen kann. Ein normaler Schleifautomat für Standardgläser kostet dagegen zwischen 12.000 und 14.000 Euro.
Damit die Gläser dann präzise in die Fassung eingesetzt werden?
Genau, damit sie vorne genau passen. Zum Beispiel bei runden Gläsern in einer runden Brille – es geht nicht einfach darum, das Glas ringsherum abzuschleifen. Vielmehr muss es so präzise eingearbeitet werden, dass der Mittelpunkt des ursprünglichen Glases erhalten bleibt.
Und dann gibt es ja noch die Messtechnik im Vorfeld?
Richtig, zum Beispiel die Visio-Office-Säule zur Messung des Augendrehpunkts – das kostet auch alles Geld.
Das heißt, es sind Investitionen, die sich viele Optiker nicht leisten können oder wollen?
Ja, genau. Viele können es finanziell einfach nicht mehr stemmen.
Und du machst das trotzdem, weil du Spaß daran hast?
Ja, einerseits aus Spaß. Aber der Hauptgrund ist, dass mich die Technologie begeistert. Deshalb habe ich immer das Neueste da. Wir verlangen für unsere Produkte viel Geld, also sollte auch technologisch alles auf dem neuesten Stand sein – und regelmäßig gewartet werden.
Aber es gibt doch viele Hersteller – warum entscheidest du dich für bestimmte Marken?
Ich werde ständig von anderen Herstellern angesprochen, die mir ihre Gläser verkaufen wollen. Ich sage dann immer: „Okay, wir probieren sie aus.“ Aber in den meisten Fällen sind sie einfach nicht so gut wie die Marktführer.
Hast du da schlechte Erfahrungen gemacht?
Ja, erst kürzlich wieder. Ein Hersteller hat uns Gläser geliefert – die waren eine Katastrophe. Die haben geschwankt und sich bewegt, das war unangenehm für die Augen. Je präziser die Optik, desto weniger muss das Gehirn korrigieren. Das bedeutet eine schnellere Eingewöhnung und weniger Ermüdung. Es kann locker eine Stunde oder mehr an Konzentrationsfähigkeit ausmachen.
Je präziser die Optik, desto weniger muss das Gehirn korrigieren. Das bedeutet eine schnellere Eingewöhnung und weniger Ermüdung. Es kann locker eine Stunde oder mehr an Konzentrationsfähigkeit ausmachen.
Aber solche Unterschiede sind für Kunden nicht immer transparent?
Nein, leider nicht. Viele wundern sich nur, warum sie mit ihrer Brille früher müde werden.
Wie ist es mit ausgebildeten Optikern.
Es gibt mehr Optikergeschäfte als ausgebildete Optiker. In vielen Läden arbeiten daher ungelernte Kräfte, die mit Sondergenehmigungen Augenprüfungen durchführen – oft mit nur einem Wochenendkurs als Ausbildung.
Das heißt, es fehlt dann auch das Fachwissen zur Augengesundheit?
Genau. Selbst Optiker, die von der FH kommen, sind in diesem Bereich nicht wirklich ausgebildet. Das Thema Brillengläser ist viel komplexer, als viele denken.
Aber für die Kunden spielt ja auch das Design und die Form der Brille eine große Rolle. Ist das eine Frage der Ausbildung oder eher des Geschmacks?
Das ist eher eine Frage der Menschenkenntnis. Man entwickelt mit der Zeit ein Gefühl dafür, welche Brille jemandem stehen könnte.
Wie läuft das in der Praxis ab?
Wenn ein Kunde reinkommt, denke ich mir, was mir gefallen würde, und zeige ihm eine Auswahl. Wenn ich Glück habe, passt es sofort. Wenn nicht, suchen wir weiter, bis er etwas findet, das ihm gefällt.
Lassen sich die Kunden auf deine Ratschläge ein?
Ja, meistens. Neukunden schauen sich oft noch andere Modelle an, aber in der Regel ist eine der ersten drei Brillen, die ich zeige, die richtige. Viele Stammkunden kommen mittlerweile direkt zu mir und sagen: „Zeig mir einfach meine neue Brille.“
Viele Stammkunden kommen mittlerweile direkt zu mir und sagen: „Zeig mir einfach meine neue Brille.“
Das ist ja eigentlich eine tolle Sache, wenn man seinem Optiker so vertrauen kann.
Ja, genau. Es ist wie beim Kleidungskauf – oft sagt der Verkäufer, etwas stehe einem, aber im Spiegel sieht es ganz anders aus. Wenn man einen ehrlichen Berater hat, dem man vertraut, ist das ein großer Vorteil.
Dein Geschäft ist also stark auf Beratung ausgerichtet?
Ja, absolut. Die meisten Fassungen liegen in Schubladen und sind nicht ausgestellt, das heißt, der Kunde verlässt sich darauf, was ich ihm zeige. Niemand kann 1.500 Brillen einfach durchprobieren.
Mir fällt auf, dass du Brillen führst, die man nicht überall bekommt. Kaufst du bewusst anders ein?
Ja, ich achte darauf, exklusive Marken zu führen. Mein Fokus liegt auf hochwertigen Brillen aus europäischer Produktion – auch aus Nachhaltigkeitsgründen.
Das heißt, deine Brillen halten länger?
Ja, viele meiner Brillen kann man problemlos fünf bis zehn Jahre tragen.
Spielst du bei der Auswahl der Hersteller auch auf ethische Aspekte an?
Ja, definitiv. Mir ist wichtig, wie und wo die Brillen hergestellt werden.
Also keine Kinderarbeit?
Nein, keine Kinderarbeit. Natürlich habe ich auch Brillen aus China, aber wenn ich erfahre, dass ein Hersteller seine Mitarbeiter schlecht behandelt oder unterbezahlt, fliegt er raus. Mein Fokus liegt auf hochwertigen Brillen aus Westeuropa – von Firmen, die ihre Mitarbeiter fair bezahlen. Außerdem gibt es bei mir auch Modelle, die nicht jeder hat. Vielen Brillen kaufe ich nur einmal ein. Wenn jemand viel Geld für eine Brille ausgibt, soll er auch etwas Exklusives bekommen. In einem kleinen Ort kann man dann nicht jede Brille zehnmal verkaufen. Aber wenn ich weiß, dass jemand eine ausgefallene Brille gekauft hat und dann ein anderer Kunde kommt, der beispielsweise in Stuttgart lebt, kann ich das Modell für ihn noch einmal bestellen, falls er es unbedingt haben möchte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich beide begegnen, ist dann sehr gering. Wobei mir das tatsächlich auch schon passiert ist: Zwei Kunden haben sich zufällig im Flieger nach Mallorca getroffen – und beide hatten die gleiche Brille auf. Ich kann dir sogar noch zeigen, welches Modell das war. (lacht)
Bei Klamotten passiert das aber deutlich häufiger, oder?
Ja, das denke ich auch. Aber sie waren eigentlich ganz stolz darauf. Sie fanden es lustig und haben sich gleich über ihre Brillen unterhalten: „Hey, du kaufst auch deine Brille auch beim Haag?“ Der eine kam aus Stuttgart, der andere aus dem Hinterland – und schon hatten sie ein Gesprächsthema. Aber der Großteil meiner Brillen ist wirklich einmalig – besonders die ausgefallenen Modelle.
Wir sind hier in Abtsgmünd, das ist ja ein begrenztes Publikum. Kommen die Kunden auch von außerhalb?
Weil weil ich von Anfang an eigene Designs verkauft und selbst Brillen gebaut habe – schon vor 29 Jahren, als ich angefangen habe –, konnte ich mir über die Jahre ein überdurchschnittlich großes Einzugsgebiet erarbeiten. Prozentual betrachtet kommen mehr meiner Kunden von weiter weg und nicht aus Abtsgmünd.
Das ist ja ein Vorteil für die Abtsgmünder – sie haben hier einen hochwertigen Optiker, den man in so einem kleinen Ort vielleicht nicht erwarten würde.
Ja, genau. Mein Haupteinzugsgebiet ist natürlich Aalen, aber ich habe auch Kunden aus Stuttgart und München, die extra herfahren – besonders wegen meiner speziellen Messtechniken, die es nur bei wenigen Optikern gibt. Und natürlich wegen der ausgefallenen Brillen.
Kommen wir zu einem anderen Thema: die Beschichtung der Gläser. Ist das für Brillenkäufer ein wichtiges Thema?
Die Werbung preist immer Kunststoffgläser mit Superentspiegelung, Hartschicht und Clean-Coat an – aber da gibt es riesige Unterschiede. Man kann ein billiges Glas anbieten, beispielsweise eine Komplettbrille mit Fassung für 99 Euro, ebenfalls mit Superentspiegelung, Hartschicht und Clean-Coat. Aber das ist kein Vergleich zu High-End-Entspiegelungen.
Wie kann man sich den Unterschied vorstellen?
Stell dir vor, du schaust in eine Fensterscheibe – du siehst dein eigenes Spiegelbild. Das bedeutet, dass von 100 % Lichteinfall nur 90 % ins Auge gelangen. Der Rest sind Reflexionen. Fährst du nachts Auto und es regnet, hast du Reflexionen von der Fahrbahn, der Windschutzscheibe und deinem Brillenglas. Wenn dann ein entgegenkommendes Auto blendet, siehst du kaum noch etwas. Die klassischen Superentspiegelungen sind so berechnet, dass Licht, das in einem Winkel von 45° auf das Glas trifft, nicht reflektiert wird.
Aber das Licht kommt doch aus allen Richtungen – warum ausgerechnet 45°?
Das ist das Problem – das ist willkürlich gewählt. Die Entspiegelung wurde im Zweiten Weltkrieg entwickelt, um Ferngläser und Feldstecher weniger reflektierend zu machen.
Damit der Gegner nicht sieht, wo beobachtet wird?
Das war der ursprüngliche Zweck – eine Technik aus der Militärforschung. Bei absoluten Topgläsern wird die Entspiegelung aber für 360° berechnet – dadurch gibt es fast keine Reflexionen mehr.
Das heißt, die Unterschiede zwischen günstigen und hochwertigen Gläsern sind enorm?
Ja, absolut. Ein Brillenglas besteht zudem aus mehreren Schichten – Entspiegelung, Hartschicht, Clean-Coat, um es wasserabweisend zu machen. Jede dieser Schichten hat einen anderen Ausdehnungskoeffizienten. Und das kann bei hoher Temperatur ein Problem werden, deshalb sagt jeder Hersteller: „Brillen nicht im Auto liegen lassen.“ Wird es zu heiß, reißen die Schichten – das nennt man dann „Orangehaut“. Je günstiger das Glas, desto anfälliger ist es für solche Schäden.
Und wenn es passiert, was dann?
Die Gläser sind kaputt. Bei einem günstigen Glas für 60 Euro setze ich einfach neue Gläser ein. Aber wenn es ein hochwertiges Gleitsichtglas für 1.500 Euro ist, dann schmerzt das natürlich.
Deshalb sollte man Brillen auch nicht beim Grillen tragen?
Ja, man kann es schon machen – aber ich hatte mal einen Kunden, der leidenschaftlicher Griller ist. Er stand ständig am Grill, schaute von oben in die Glut - und seine Gläser sind dabei kaputtgegangen.
Also nicht im heißen Auto liegen lassen, nicht über den Grill halten – und was ist mit der Sauna?
Dort ist es für die Brille auch zu heiß.
Was gibt es für neue Technologien bei Brillengläsern?
Ein riesengroßer technologischer Unterschied – und gleichzeitig eine der wichtigsten Erfindungen – ist der Blaulichtfilter. Wir wissen, dass sich die Blindheitsrate in der westlichen Welt in den nächsten zehn Jahren verdreifachen wird. Das liegt am hohen Anteil des blauen Lichts, das zunehmend verwendet wird. Dieser Lichtanteil schädigt die Netzhaut – und dagegen kann man nichts tun. Ist der Schaden erst einmal da, lässt er sich nicht mehr rückgängig machen.
Dieser Lichtanteil schädigt die Netzhaut – und dagegen kann man nichts tun. Ist der Schaden erst einmal da, lässt er sich nicht mehr rückgängig machen.
Blaulicht ist überall vorhanden: in Energiesparlampen, Handys, Tablets, Flachbildschirmen, PCs, Fernsehern – einfach überall. Das Problem ist nun folgendes: Der Mensch braucht blaues Licht, um fit zu werden und aufzuwachen. Allerdings gibt es einen ganz bestimmten Nanometer-Bereich, der schädlich ist. Und genau dieser Bereich muss herausgefiltert werden – nur dieser kleine Teil und nicht das gesamte Blaulicht. Wir nutzen Gläser von Esselor. Die Firma ist der Weltmarktführer bei Brillengläsern und gehört schon seit Jahrzehnten zu den Top 20 der innovativsten Unternehmen. Da reden wir sonst von Apple & Co. – Esselor bewegt sich immer in dieser Liga. Sie waren die Ersten, die einen wirklich gut funktionierenden Blaulichtfilter entwickelt haben, und sie besitzen die entsprechenden Patente. Andere Glashersteller dürfen diese Patente nicht verletzen und deshalb sagen viele von ihnen, dass ein Blaulichtfilter nicht notwendig sei – sie spielen das Thema herunter, weil sie ihn nicht in der gleichen Qualität anbieten dürfen. Das Problem betrifft übrigens auch junge Menschen – wenn jemand mit 20 beginnt, einen Blaulichtfilter zu tragen, hat er mit 60 Jahren eine viel größere Chance, ohne Sehprobleme oder Erblindungserscheinungen durchs Leben zu gehen.
Nutzen die Kunden diese Technologie?
Ich verkaufe kaum noch Brillengläser ohne Blaulichtfilter. Selbst im günstigeren Segment können wir ihn mittlerweile anbieten. Für mich ist das medizinisch extrem wichtig, auch wenn nicht alle Kunden direkt darauf eingehen. Aber ich persönlich lege großen Wert darauf – sowohl aus medizinischen als auch aus ethischen Gründen.
Du engagierst dich auch sozial – magst du darüber erzählen?
Ja, ich mache seit ca. 20 Jahren – ohne große Werbung – Obdachlosenhilfe in Aalen. Mittlerweile haben wir auch in Schwäbisch-Gmünd eine Anlaufstelle. Die Leute kommen zu mir, ich mache eine Augenprüfung, und sie bekommen kostenlos eine neue Brille von mir.
Die Leute kommen zu mir, ich mache eine Augenprüfung, und sie bekommen kostenlos eine neue Brille von mir.
Natürlich keine Gleitsichtbrille – das wäre zu teuer, aber eine Fern- oder Nahbrille. Das mache ich schon seit 20 Jahren. Man denkt immer an Katastrophen wie Tsunamis oder Ähnliches – aber direkt vor unserer Haustür gibt es ebenfalls viele Menschen, die dringend Hilfe brauchen.
Gibt es für Optiker eine Meisterpflicht?
Ja, offiziell gibt es eine Meisterpflicht. Aber sie wird oft umgangen. Der Meister ist oft nur der Inhaber, aber in der Praxis arbeiten dann Leute ohne die nötige Qualifikation.
Wie kann das sein?
Das Gesetz wird unterschiedlich angewandt. Große Filialisten dürfen auch deutlich mehr ohne Meister arbeiten, als ein kleines Fachgeschäft.
Das ist ja eine Ungerechtigkeit.
Ja, und das nervt uns Optiker schon seit Jahrzehnten. Aber dagegen anzukommen, ist fast unmöglich.
Warum sollte man also am besten gleich zum richtigen Optiker gehen?
Viele Kunden fühlen sich auch in großen Ketten wohl, das ist gar kein Thema. Aber es gibt Menschen mit Sehproblemen, die durch Zufall an einen guten Optiker geraten müssen, der wirklich Ahnung hat.
Und dann gibt es Kunden, die Wert auf Design legen?
Ja, manche wollen nicht nur gut sehen, sondern auch etwas Besonderes auf der Nase haben. Ich bin nicht für den Massenmarkt da, sondern für eine kleine Zielgruppe, die Wert auf Qualität legt.
Also für Leute, die Wert auf Optik in doppelter Hinsicht legen – die Sehleistung und das Design der Brille?
Genau! Es gibt Menschen, die wollen einen Porsche oder einen Ferrari. Und ich bewege mich eben eher in diesem Bereich – technologisch auf höchstem Niveau.
Und es gibt genug Menschen, die das wollen?
Ja, definitiv. Meine Kunden kommen nicht nur von hier, sondern auch aus Stuttgart und vielen anderen Städten. Ich hatte mal einen Diplomaten aus dem Vatikan in New York als Kunden. Er kommt alle paar Jahre hierher, wenn er auf Heimaturlaub ist. Ich habe Kunden aus Argentinien, sogar aus Burkina Faso, aber das Beste war mal ein Italiener, er kam zum Brillenkauf immer mit seinem Privatflieger nach Elchingen geflogen. Er hatte massive Sehprobleme und hat sich dann direkt beim Hersteller informiert, wer ihm helfen kann. Die Chefs von Esselor Deutschland kennen mich – die haben mich empfohlen.
Das ist ja eine tolle Referenz!
Ja, jahrelang kam er hierher. Leider ist er gestorben. Aber man darf nicht vergessen: Die Masse macht man vor Ort.
Also nicht nur High-End-Kunden?
Genau. Man lebt nicht nur für High-End, sondern auch für ganz normale Leute. Deshalb habe ich hier alles – von günstigen Brillen ab 99 Euro bis hin zu exklusiven Modellen. Ich bin immer noch Landoptiker.
Aber du möchtest trotzdem qualitativ hochwertige Sehlösungen anbieten?
Ja, und dafür brauche ich die beste Messtechnik. Ich habe mein Geschäft nie mit dem Gedanken eröffnet, dass ich so und so viel verdienen will. Mein Ziel war immer, die besten Brillen zu machen, die es gibt.
Das ist doch ein großartiges Schlusswort!
Ja, das finde ich auch (lacht).