
MAA im Gespräch mit Prof. Dr. Manfred Rössle
Die Vorkenntnisse in naturwissenschaftlichen Fächern, insbesondere in Mathematik, sind teilweise ungenügend.
Prof. Dr. Manfred Rössle war von Anfang an dabei. Seit 10 Jahren gibt es die Wirtschaftsinformatik als eigenen Studiengang an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Aalen. Manfred Rössle hat die Erfolgsgeschichte mitgeprägt und weiß, warum die WI für Unternehmen ein wichtiges und für die Studierenden ein lukratives Angebot ist.
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Bild: Prof. Dr. Manfred Rössle, privat
Brauchen wir immer mehr Studiengänge?
Der Vielzahl von Studiengängen stehe ich reserviert gegenüber. Die Erfahrung zeigt, dass ein Mehr an Studiengängen nicht zwingend ein Mehr an Studierenden bedeutet. Was jedoch offensichtlich ist: Mehr Studiengänge bedeuten aber immer mehr Administration. Daher halte ich eine Rückbesinnung auf weniger, aber grundlegende Studiengänge für sinnvoll. Einer dieser grundlegenden Studiengänge sollte die Wirtschaftsinformatik sein.
Was ist Wirtschaftsinformatik?
Die Wirtschaftsinformatik beschäftigt sich im Wesentlichen mit dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen und Behörden. Sie ist eine Schnittstellenfunktion zwischen Technik und Betriebswirtschaft. Man könnte sagen, es sei weder das eine noch das andere, aber ich sehe das anders.
Wie denn?
Es ist das Beste aus beiden Welten! Nein, das war ein Scherz. Aber wir vermitteln, sowohl aus der betriebswirtschaftlichen als auch aus der technologischen Perspektive die wesentlichen Grundkenntnisse und bringen diese in Zusammenhang. Es geht nicht nur um das eine oder das andere, sondern tatsächlich um die Schnittstelle.
Wer braucht die Leute, die Wirtschaftsinformatik studiert haben?
Die Einsatzmöglichkeiten sind sehr vielfältig: Angefangen bei den IT-Abteilungen von Industriebetrieben, über Banken, Versicherungen bis hin zu Behörden. Unsere Absolventen arbeiten in einer Vielzahl von Unternehmen in der Region. Der Einsatzbereich ist überall dort, wo IT zur Abwicklung von Geschäftsprozessen nötig ist. Wir haben auch Absolventen, die in der Beratung tätig sind oder als Dozenten lehren.
Berufseinsteiger dürften je nach Unternehmen ein Jahresbrutto zwischen 45.000 und 50.000 Euro verdienen.
Und was verdient man als Wirtschaftsinformatiker?
In den letzten Jahren sind die Gehälter aufgrund der hohen Nachfrage in sehr angenehme Regionen gestiegen. Berufseinsteiger dürften je nach Unternehmen ein Jahresbrutto zwischen 45.000 und 50.000 Euro verdienen.
Ist das bei Bachelor- und Masterabschlüssen gleich?
Nein, beim Masterabschluss kann man grob 10.000 Euro im Jahr mehr veranschlagen.
Das heißt, rein ökonomisch lohnt es sich wahrscheinlich, den Master zu studieren.
Das ist richtig, ja.
Was ist die Kernerfahrung nach 10 Jahren Wirtschaftsinformatik in Aalen?
Die Kernerfahrung ist, dass das Studienangebot auf der Höhe der Zeit sein muss. Dann finden sich ausreichend junge Menschen, die das studieren wollen. Im Moment geht es zum Beispiel um die Integration von Verfahren und Methoden der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens. Wenn das Integrieren neuer Themen gut gelingt, ist die Nachfrage nach dem Studiengang in Ordnung. So haben wir in den letzten Jahren stets überdurchschnittliche Anfängerzahlen gehabt, wobei man der Fairness halber sagen muss, dass auch wir auch unter dem allgemeinen Rückgang leiden, der letztendlich auf die geburtenschwachen Jahrgänge zurückzuführen ist.
Was zeichnet die Wirtschaftsinformatik in Aalen aus?
Wir halten uns an unsere eigene Kernerfahrung und integrieren aktuelle Inhalte in unser Curriculum. Wir sind zudem ein Studiengang mit einer hohen Anzahl forschungsstarker Professoren. Wir haben viele Forschungsprojekte, auch mit Unternehmen, und zahlreiche Publikationen.
Wir sind, glaub ich, ein sehr „entspannter“ Studiengang.
Nicht zuletzt bestätigen uns unsere Absolventen, dass die Stimmung unter den Kollegen im Studiengang und auch zwischen den Studenten sehr gut ist. Wir sind, glaub ich, ein sehr „entspannter“ Studiengang.
Viele Gründe also, sich in Aalen einzuschreiben.
So ist es. Darüber hinaus sind wir sehr gut mit der lokalen Industrie vernetzt, so dass wir immer auch attraktive Praktika und Lehrbeauftragte bieten können. Die Praxisnähe und das Netzwerk erleichtern den Einstieg in den Job, und darum geht es ja letztlich.
Für welche jungen Menschen ist der Studiengang geeignet?
Der Studiengang ist grundsätzlich für alle Menschen geeignet, ausdrücklich auch für Frauen, sofern sie ein Mindestmaß an Interesse an technischen Inhalten haben.
Merkt man an der Hochschule das sinkende Niveau des Abiturs?
Das spüren wir auch. Das ist vielleicht keine politisch korrekte Antwort, aber dazu stehe ich: Die Vorkenntnisse in naturwissenschaftlichen Fächern, insbesondere in Mathematik, sind teilweise ungenügend.
Wie reagiert die Hochschule darauf?
Wir bieten zusätzliche Unterstützung wie Erklärvideos, Übungsaufgaben und Tutorien an. Wir möchten ein gewisses akademisches Niveau nicht unterschreiten und bieten Hilfen an. Wenn alles nichts hilft, kann es allerdings auch vorkommen, dass jemand durchfällt.
Wenn alles nichts hilft, kann es allerdings auch vorkommen, dass jemand durchfällt.
D.h. es wird Nachhilfe angeboten?
Genau, die Zahl der Nachhilfeangebote ist verhältnismäßig groß. Einige Angebote wie Tutorien oder Erklärvideos kommen direkt vom Studiengang, darüber hinaus gibt es eine zentrale Studienberatung und das Grundlagenzentrum, die beispielsweise Mathematikkurse anbieten.
Was wird es in der Wirtschaftsinformatik in Aalen Neues geben?
Die nächste große Planung ist die Ausstattung des Studiengangs mit mehr Kollegen. Wir haben eine Stelle ausgeschrieben, die wir derzeit besetzen. Eine weitere Stelle wurde uns zugesagt, die wir ebenfalls noch besetzen können, sodass unsere professorale Ausstattung noch besser wird. Außerdem stellen wir derzeit mehrere wissenschaftliche Mitarbeiter ein.
Kann man an der Hochschule in Aalen auch promovieren und einen Doktortitel erlangen?
Ja, das ist jetzt seit kurzem möglich. Meine Kollegen und ich sind Teil des Promotionskollegs Baden-Württemberg, sodass über unseren konsekutiven Master hinaus auch die Möglichkeit besteht, eine Promotion zu erlangen.
Meine Kollegen und ich sind Teil des Promotionskollegs Baden-Württemberg, sodass über unseren konsekutiven Master hinaus auch die Möglichkeit besteht, eine Promotion zu erlangen.
Möchte die Wirtschaftsinformatik die Inhalte zukünftig weiter differenzieren?
Nein, vielmehr wollen wir unser Angebot im Bereich der Wahlfächer ausweiten, sodass die Studierenden aus einem breiteren Spektrum das für sie Passende auswählen können.
Die Modularisierung des Studiums ist also besser als immer neue Studiengänge?
Ja, wir sagen immer scherzhaft, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis jeder Student seinen eigenen Studiengang hat. Diesen Weg möchten wir in der Wirtschaftsinformatik in Aalen nicht gehen. Die Individualisierung erfolgt durch die Wahlfächer im Studiengang. So wissen die Studierenden und auch die zukünftigen Arbeitgeber, was sie erwartet: Top ausgebildete Wirtschaftsinformatiker an der Schnittstelle zwischen Business und IT.