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MAA spricht mit Jamie Robinson

Zufriedenheit, Beweglichkeit und die Pathologie des Menschen

Jamie Robinson hat beruflich einen mutigen Schritt gewagt – von einer unbefristeten Festanstellung hat sie eine schulische Ausbildung begonnen, die sie finanziell selbst stemmen muss. Sie wollte mehr Bewegung in ihrem Berufsalltag und wird in Zukunft ihren Patienten als Physiotherapeutin näherbringen, wie wichtig Beweglichkeit im Alltag ist.

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Bild: Jamie Robinson, privat

Hallo Jamie, möchtest du dich vielleicht erst mal kurz vorstellen?

Ja, sehr gerne. Ich bin Jamie Robinson, 29 Jahre alt und ich lebe seit sechs Jahren hier in Aalen.

 


Du hast beruflich einen Schritt gewagt und dich noch einmal komplett neu orientiert. Welchen Beruf hast du früher ausgeübt und in welche Richtung möchtest du jetzt gehen?

Früher habe ich als Technische Systemplanerin für Gebäude- und Ausrüstungstechnik gearbeitet, und das insgesamt acht Jahre lang. Ende 2023 habe ich dann eine Ausbildung zur Physiotherapeutin angefangen.

 


Was hat dir an deinem alten Beruf besonders gut gefallen und was weniger?

Besonders gut hat mir gefallen, dass ich die Dinge, die ich in 2D und 3D gezeichnet habe, später tatsächlich vor Ort sehen konnte. Die Installateure vor Ort haben nachgebaut, was ich gezeichnet habe, das war richtig cool. – Das und die Arbeit im Team hat mir am meisten Spaß gemacht.

Was mir weniger gefallen hat, war die reine Büroarbeit, also das ständige Sitzen. Da habe ich irgendwann gemerkt, dass mir etwas anderes, etwas mit mehr Bewegung, deutlich mehr Spaß machen würde.

 


Gab es einen Schlüsselmoment oder eine Erfahrung, die dich zum Nachdenken gebracht hat, etwas Neues auszuprobieren?

Nein, das war eher ein längerer Prozess, der sich über zwei Jahre hingezogen hat. In dieser Zeit wurde ich immer unzufriedener. Ich habe mich selbst nicht mehr wiedererkannt und hatte das Gefühl, dass ich mich nicht mehr so gebe, wie ich eigentlich bin. Es gab also kein einzelnes Ereignis, sondern es war eher eine schleichende Veränderung, in der ich gemerkt habe, das was ich tue, macht mich nicht mehr glücklich.

 


Was war ausschlaggebend dafür, in Richtung Physiotherapie zu gehen?

Das ist eine sehr gute Frage. Die Physiotherapie fand ich schon früher sehr interessant. Damals war die Ausbildung zur Physiotherapeutin sehr teuer, und deshalb war das einfach kein Thema. Ich fand es aber immer spannend, Menschen auf ihrem Weg zur Heilung zu begleiten, die Hintergründe und Pathologie zu verstehen und den Leuten etwas mitzugeben. Das hat mich schon immer fasziniert und mir ein gutes Gefühl gegeben.

 


Musst du die Ausbildung selber bezahlen?

Ja, aber mittlerweile bekommt man Unterstützung vom Staat.

 


Was sind die Voraussetzungen für diese Unterstützung? Wie läuft das ab?

Die Unterstützung vom Staat nennt sich BAföG und wird unterteilt in Schüler-BAföG und Studenten-BAföG. Die Ausbildung zur Physiotherapeutin fällt unter das Schüler-BAföG. Das bedeutet, dass ich nach der Ausbildung nichts zurückzahlen muss. Ohne diese Hilfe wäre es mir tatsächlich fast unmöglich gewesen, die Ausbildung zu machen, weil ich sie komplett selbst finanziere.

Die Unterstützung ist wirklich sehr viel wert für mich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man trotzdem noch Lebenshaltungskosten hat – Miete, Auto und so weiter.

 




Ja, absolut. Das klingt herausfordernd. War das auch deine größte Sorge oder gab es noch andere Herausforderungen?

Ja, es war tatsächlich die größte Sorge, das Ganze finanziell stemmen zu können. Ich wollte meine Wohnung nicht aufgeben oder meinen Lebensstandard komplett verändern. Natürlich hat sich einiges angepasst – ich gehe jetzt nicht mehr so oft in den Urlaub oder kaufe Dinge unüberlegt. Aber die größte Hürde war definitiv, die finanziellen Aspekte abzudecken. Eine andere Sorge war, dass ich mit meiner neuen Ausbildung, die ich voraussichtlich mit 31 beende, komplett am Anfang meiner Karriere sein werde, wo andere bereits lange Jahre Berufserfahrung aufweisen können.




"Eine andere Sorge war, dass ich mit meiner neuen Ausbildung, die ich voraussichtlich mit 31 beende, komplett am Anfang meiner Karriere sein werde, wo andere bereits lange Jahre Berufserfahrung aufweisen können."


 


Wie schwer war es für dich, die Entscheidung zu treffen, eine unbefristete Arbeitsstelle aufzugeben, um nochmal von vorn anzufangen?

Das hat sehr viel Mut gekostet. Wie gesagt, es war ein längerer Prozess. Ich habe lange darüber nachgedacht, weil man natürlich eine gewisse Sicherheit aufgibt. Es hat wirklich Überwindung gebraucht, diesen Schritt zu gehen. Aber meine Unzufriedenheit und der Wille zur Veränderung waren größer.

 


Wie fühlt es sich an, eine zweite Ausbildung zu machen im Vergleich zur ersten?

Ich merke, dass ich jetzt viel motivierter bin. Im Vergleich zur ersten Ausbildung ist diese hier aber auch deutlich anspruchsvoller. Das war ehrlich gesagt auch das, womit ich nicht so gerechnet hatte. Es ist fast wie eine neue Sprache, die man lernt, besonders mit dem vielen Latein. Aber ich lerne unglaublich viel dazu und bereits nach einem Jahr merke ich, dass mir diese Ausbildung viel besser liegt und auch mehr Freude bereitet.

 


Das ist schön. Und wie ist es mit deinen Klassenkameraden – sind die jünger als du oder ist das für viele auch eine zweite oder dritte Ausbildung?

Das ist komplett gemischt. Es gibt Leute, für die ist es die Erstausbildung, die sind dann noch ganz jung – 17 oder 18 Jahre alt. Und es gibt andere, die die Ausbildung auf dem zweiten Bildungsweg machen. Gerade der Fakt, dass man die Ausbildung selbst bezahlen muss, schreckt sicher einige ab, sodass sie sie erst später in Angriff nehmen. In meiner Klasse sind wir im Durchschnitt so um die 24 Jahre alt, würde ich sagen. Ich bin auf jeden Fall nicht die Älteste.

 


Was gefällt dir denn am besten an deiner neuen Ausbildung?

Am besten gefällt mir, dass ich so viel über den Menschen und den Körper lerne – Wissen, das ich auch für mich selbst anwenden kann. Ich verstehe die Prozesse im menschlichen Körper jetzt viel besser und das ist letztendlich auch der Kern der Ausbildung. Bewegungstherapie und alles, was dazu gehört, hat für mich einen enormen Wert und genau das lerne ich dort. Zudem lerne ich auch sehr viele interessante Menschen kennen. Ich durfte letztes Jahr so viel von Dozenten und Mentoren lernen, das war wirklich bereichernd.

 


Ist das dann eine rein schulische Ausbildung, oder arbeitest du auch in einer Praxis?

Es ist eine rein schulische Ausbildung. Es gibt jedoch verschiedene Schulen, die unterschiedliche Methoden haben. An der Schule, an der ich bin, gibt es zum Beispiel zwei Praktika, jeweils 6 Monate – eines im vierten Semester und eines im sechsten Semester. Die Praxis ist aber allgegenwärtig. Wir haben unter der Woche viele Praxisstunden in den sogenannten Therapieräumen, weil es ja ein Beruf ist, bei dem man später hauptsächlich mit den Händen arbeitet. Man berührt Menschen und arbeitet mit ihnen – beispielsweise in der manuellen Therapie, je nachdem, in welchem Bereich man tätig sein möchte. Deshalb ist es wichtig, dass die Praxis während der Ausbildung nicht zu kurz kommt.

 


Und für diese Praxisstunden – braucht ihr da Freiwillige?

Ja, die Schule ist da sehr offen, und es ist unglaublich gern gesehen, wenn Freiwillige kommen. Natürlich übt man viel mit seinen eigenen KollegInnen, aber die haben ja meist keine echten Beschwerden. Außerdem gibt es da auch keine Berührungsängste mehr. Gerade vor den Ferien war zum Beispiel die Mutter einer Klassenkameradin da, die zuvor am Knie operiert wurde. Solche Gelegenheiten sind immer sehr willkommen.

 


Ach, gut zu wissen. Und was wünschst du dir für deine Zukunft als Physiotherapeutin?

Meine oberste Priorität ist, dass ich nach meinem bestandenen Examen meine Patienten und Klienten nachhaltig therapieren und coachen kann.

Am meisten wünsche ich mir, dass beide Seiten – meine Patienten und ich – glücklich und mit einem positiven Gefühl aus der Therapie gehen.

 


Das klingt schon mal sehr schön. Gibt es denn eine spezielle Richtung oder einen Fokus, den du in deinem neuen Beruf verfolgen möchtest?

Momentan bin ich noch am Anfang, und es gibt wirklich viele Themen, die mich interessieren. Am meisten begeistert mich Mobility Training, also eine Kombination aus Kraft, Beweglichkeit und Stabilitätstraining. Ich möchte den Leuten näherbringen, wie wichtig Beweglichkeit ist. Ich finde das Beispiel ganz treffend: Was bringt es dir, wie ein Bodybuilder auszusehen, wenn du dich nicht wie ein Mensch bewegen kannst? Beweglichkeit und die Kombination aus Kraft und Stabilität sind im Alltag einfach essenziell – sei es, über Kopf zu arbeiten, sich zu bücken, um etwas aufzuheben, oder handwerkliche Tätigkeiten zu verrichten. Man braucht die Beweglichkeit immer. Das ist vorerst mein Ziel für die Zukunft.

 


Wie haben deine Freunde und deine Familie auf den Berufswechsel reagiert?

Anfangs waren sie etwas skeptisch. Ich denke, das liegt daran, dass die meisten Menschen eher einen geraden Weg gehen – also den Weg, den sie einmal gelernt haben, weil das einfach der sicherste ist. Mit der Zeit haben sie aber immer mehr Verständnis gezeigt, meinen Entschluss akzeptiert und mich schließlich auch sehr unterstützt. Mittlerweile fragen sie mich sogar oft, ob ich hier und da bei ein paar Einschränkungen helfen kann.

 


Ja, klar, das ist natürlich für dein Umfeld auch ganz praktisch. Hast du durch den Wechsel auch etwas Neues über dich selbst gelernt oder neue Seiten an dir entdeckt?

Absolut. Ich habe gelernt, mehr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu haben. Ich habe gemerkt, dass die Dinge, die ich anpacke, auch funktionieren, dass sie Früchte tragen.




"Ich habe gemerkt, dass die Dinge, die ich anpacke, auch funktionieren, dass sie Früchte tragen."




Außerdem habe ich gelernt, dass ich motiviert und vor allem diszipliniert sein kann. Das ist wirklich eine der größten Erkenntnisse für mich – dass ich diszipliniert bin etwas durchzuziehen, auch wenn nicht immer die Motivation da ist.

 


Ja, super. Wie lange geht deine Ausbildung noch? Wann bist du fertig?

Die Ausbildung dauert insgesamt drei Jahre. Ich bin jetzt in der Halbzeit, also im dritten von sechs Semestern. Das bedeutet, ich bin 2026 fertig.

 


Was gibt dir in schwierigen Momenten Kraft und Motivation? Oder gibt es überhaupt schwierige Momente?

Die gibt es auf jeden Fall, vor allem in der Klausurenphase, die eigentlich ständig ist. Was mich dranbleiben lässt, ist vor allem mein Ziel. Es gibt immer mal Rückschläge, und manchmal ist man auch ein bisschen verzweifelt. Aber wenn man sein Ziel vor Augen behält, gibt das Kraft. Besonders hilft es, sich anzuschauen, was man bisher erreicht hat – einfach mal zurückblicken und sehen, was man schon geschafft hat. Das gibt Vertrauen in sich selbst und die Zuversicht, dass es weiterhin gut klappt.

 


Das klingt wirklich toll und passt auch gut zur letzten Frage: Welche Botschaft möchtest du anderen Menschen mitgeben, die vielleicht ebenfalls darüber nachdenken, einen neuen Weg einzuschlagen?

Wenn jemand vorhat, einen neuen Weg einzuschlagen, finde ich es wichtig, erst einmal in sich zu gehen. Man sollte sich Zeit für sich selbst nehmen und sich überlegen, wo man sich derzeit in Zukunft sieht und vor allem sehen will. Dabei hilft es auch, sich seine Stärken und Schwächen aufzuschreiben – einfach alles mal auf Papier bringen, um Klarheit zu gewinnen. Dafür ist natürlich auch relevant, zu erkennen, welche Risiken man eingeht und einen Plan B zu haben, falls der neue Berufsweg nicht verläuft wie erhofft. Es kann helfen, offen mit PartnerIn, Familie oder Freunden darüber zu sprechen. Man findet immer einen Weg, wenn man wirklich etwas machen möchte.

Ich durfte die Erfahrung machen, dass es unglaublich viel Unterstützung gibt, gerade aus dem engeren Umfeld. Es ist wichtig, dass man sich mit Menschen umgibt, die einem Mut zusprechen und Kraft schenken. Zudem hilft es enorm, sich authentische Vorbilder und/oder Mentoren zu suchen, die bereits dort sind, wo man hin will – die einen inspirieren und von denen man lernen kann.

 


Das ist, finde ich, ein ganz guter Ratschlag. Damit bedanke ich mich ganz herzlich bei dir für das ermutigende Interview.

Ich bedanke mich ebenfalls für die Gelegenheit meine Erfahrungen mit euch teilen zu dürfen.

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